Rückzahlung unverdienter Provisionen

Rechtstipp Versicherungsvertreterrecht

Die Pflicht des Versicherungsvertreters zur Rückzahlung von Provisionen

Immer wieder kommt es zwischen Versicherungsvertretern und den vertretenen Versicherungsunternehmen zum Streit darüber, ob der Vertreter ihm gezahlte Provisionsvorschüsse an das Unternehmen zurückzahlen muss.  Während der Dauer des Vertragsverhältnisses nimmt das Unternehmen in der Regel eine Verrechnung der behaupteten Rückforderungen mit Provisionsansprüchen des Vertreters vor und der Protest hält sich in Grenzen. Nach Beendigung der Zusammenarbeit wird eine Verrechnung jedoch zunehmend schwierig, weil der Vertreter keine Provisionsansprüche mehr verdient und das während der Vertragslaufzeit ggf. aufgebaute Stornoreserveguthaben immer mehr abschmilzt. Ist es schließlich aufgebraucht, treten die Versicherungsunternehmen unmittelbar an ihre ehemaligen Vertreter heran und machen Rückzahlungsansprüche geltend. Die Vertreter sehen sich dann mehr oder weniger hohen Ansprüchen ihres ehemaligen Versicherungsunternehmens ausgesetzt und versuchen, diese zu bekämpfen.

Der Streit resultiert daraus, dass ein Versicherungsvertreter gemäß § 92 Abs. 4 HGB abweichend von § 87 a Abs. 1 HGB an sich erst dann Anspruch auf Provision hat, wenn der Versicherungsnehmer die Prämie gezahlt hat, aus der sich die Provision nach dem Vertretervertrag berechnet. In der Regel werden die Provisionen aber bereits vorher als Vorschuss an den Vertreter gezahlt und in den Provisionsbestimmungen insoweit Regelungen getroffen, dass die Provision erst nach Ablauf einer bestimmten Zeit, der so genannten Stornohaftungszeit, endgültig verdient ist. Wird der vermittelte Versicherungsvertrag allerdings vorher storniert, kommt es zu Provisionsrückforderungen durch das Versicherungsunternehmen.

Ob und inwieweit die Rückforderung von nicht ins Verdienen gebrachter Provisionsvorschüsse berechtigt ist, richtet sich nach der Vorschrift des § 87 a Abs. 3 HGB, die auch für den Versicherungsvertreter gilt (BGH Urteil vom 19.11.1982, VersR 83, 371; BGH Urteil vom 21.03.2001, VersR 01, 760). Dementsprechend besteht der Anspruch auf Provision des Versicherungsvertreters auch dann, wenn feststeht, dass der Unternehmer das Geschäft ganz oder teilweise nicht oder nicht so ausführt, wie es abgeschlossen worden ist. Allerdings entfällt der Anspruch auf Provision im Falle der Nichtausführung, wenn und soweit dies auf Umständen beruht, die der Unternehmer nicht zu vertreten hat.

Da das Vertretenmüssen im Sinne von § 87 a Abs. 3 HGB nicht Verschulden des Unternehmens bedeutet, ist die Frage zu beantworten, wann die Stornierung eines Versicherungsvertrages in den Verantwortungsbereich des Unternehmens fällt und wann nicht.

In der Rechtsprechung ist zunächst anerkannt, dass mit Rücksicht auf die Besonderheiten, die sich aus der Natur des Versicherungsverhältnisses ergeben, das Versicherungsunternehmen in der Regel nicht gehalten ist, im Klageweg gegen säumige Versicherungsnehmer vorzugehen, wenn außergerichtlichen Maßnahmen erfolglos geblieben sind. Die Stornierung eines Vertrages ist somit schon dann nicht vom Versicherungsunternehmen zu vertreten, wenn es notleidende Verträge im gebotenen Umfang nachbearbeitet hat (BGH, Urteil vom 19.11.1982, VersR 83, 371; BGH, Urteil vom 12.11.1987, NJW-RR 88, 546).

Diese Nachbearbeitung wird klassischerweise dadurch vorgenommen, dass die Versicherungsunternehmen dem Vertreter eine so genannte Stornogefahrmitteilung zukommen lassen, auf dessen Basis der Vertreter dann versuchen soll, den notleidenden Vertrag zu retten. Nach Beendigung des Vertretervertragsverhältnisses werden diese Stornogefahrmitteilungen aber regelmäßig nicht mehr versandt, weil die Versicherungsunternehmen befürchten, dass der ausgeschiedene Vertreter die Chance nutzt, den offenbar zur Beendigung des Vertrages entschlossenen Kunden zum Abschluss eines neuen Vertrages für ein Konkurrenzunternehmen zu bewegen, anstatt den bestehenden Vertrag aufrechtzuerhalten.

Dieser Interessenlage hat sich die Rechtsprechung gebeugt und für die Zeit bis zur Beendigung des Vertretervertrages in der Regel eine Stornogefahrmitteilung für erforderlich gehalten (z.B. OLG Schleswig MDR 84, 760; OLG Frankfurt am Main VersR 91, 1135; OLG Saarbrücken VersR 00, 1017; Küstner/Thume Handbuch des gesamten Außendienstrechts Band 1, 3. Aufl., Rn. 1230 ff.), nach Beendigung des Vertretervertrages soll eine Stornogefahrmitteilung an den ausgeschiedenen Vertreter allerdings nicht mehr erforderlich sein, um die nicht ins Verdienen gebrachte Provision ggf. zurückfordern zu können (OLG Schlesweig a.a.O.; OLG Frankfurt am Main, a.a.O.; OLG Saarbrücken a.a.O. ; Küsnter/Thume a.a.O., Rn. 1235 ff.; a.A. LG Mainz NJW–RR 00, 915; auch OLG Köln NJW 78, 327; von Hoyningen-Huene Münchner Kommentar zum HGB, § 92, Rn. 32). In solchen Fällen genüge es, wenn das Versicherungsunternehmen selbst die erforderliche Nachbearbeitung – erfolglos – durchgeführt hat. Art und Umfang der dem Versicherungsunternehmen obliegenden Nachbearbeitung notleidender Versicherungsverträge bestimmen sich dabei nach den Umständen des Einzelfalls und es ist Aufgabe des Versicherungsunternehmens im Streitfall darzulegen und nachzuweisen, ob Art und Umfang der erfolgten Nachbearbeitung ausreichend waren (BGH, Urteil vom 19.11.1982, VersR 83, 371; BGH, Urteil vom 12.11.1987, NJW-RR 88, 546).

Da die Rechtsprechung insoweit jedoch nicht einheitlich war, sah sich vor kurzem nun der Bundesgerichtshof (BGH) in zwei Urteilen gezwungen, zu der Frage Stellung zu nehmen, wann ein Versicherungsunternehmen nicht ins Verdienen gebrachte Provisionen gemäß § 87 a Abs. 3 HGB zurückfordern kann (BGH, Urteil vom 25.05.2005, Az. VIII ZR 279/04; BGH, Urteil vom 25.05.2005, Az. VIII ZR 237/04).

In diesen beiden Entscheidungen hat der BGH die vorstehend wiedergegebenen Grundsätze noch einmal wiederholt und festgestellt, dass es sowohl während der Vertragslaufzeit, als auch nach Beendigung des Vertretervertrages letztlich Sache des Versicherungsunternehmen ist, welche Maßnahmen es zur Stornoabwehr ergreift. Nach Auffassung des BGH gibt es weder eine Pflicht, noch auch nur eine Obliegenheit des Versicherungsunternehmens, dem Vertreter, der den Vertrag vermittelt hat, eine Stornogefahrmitteilung zukommen zu lassen. Dies sei lediglicheine Möglichkeit, die vom Unternehmen verlangte Stornoabwehr durchzuführen.

Zwar sei es nach wie vor Sache des Versicherungsunternehmens, im Streitfall darzulegen und nachzuweisen, dass Art und Umfang der ergriffenen Maßnahmen ausreichend waren, um dem gemäß § 87 a Abs. 3 HGB an sich bestehen bleibenden Provisionsanspruch des Vertreters entgegenzutreten. Das Versicherungs­unternehmen hat jedoch zwischen mehreren in Betracht kommenden Mitteln die Wahl.
Im Streitfall hielt der BGH es insoweit für ausreichend, dass das Unternehmen anstelle einer Stornogefahrmitteilung an den ausgeschiedenen Vertreter den Kunden im Rahmen eines automatisierten Mahnverfahrens mit maschinell erstellten Mahnschreiben dreimal angeschrieben und unter Hinweis auf die Rechtsfolgen, die sich aus der Einstellung der Prämienzahlung ergeben würden, und teilweise unter Androhung gerichtlicher Maßnahmen zur Wiederaufnahme der Zahlungen aufgefordert hatte. Darüber hinaus hatte das Versicherungsunternehmen den Kunden, die in Zahlungsschwierigkeiten geraten waren, schriftlich ein Gesprächsangebot unterbreitet und die Bereitschaft zu einem Entgegenkommen bekundet. Jedenfalls in Anbetracht der geringen Höhe der gefährdeten Provisionsansprüche des Versicherungsvertreters bedurfte es nach Auffassung des BGH in dem entschiedenen Fall keiner weitergehenden Maßnahmen des Versicherungsunternehmens mehr. Die Provisionsrückzahlungsforderungen des Versicherungsunternehmens wurden als berechtigt angesehen.

Aus den Entscheidungen des BGH ergibt sich somit, dass die Versicherungsunternehmen auch während der Laufzeit des Vertretervertragsverhältnisses nicht verpflichtet sind, den Vertretern eine Stornogefahrmitteilung zukommen zu lassen. An dieser Auffassung darf man in Anbetracht der unumstrittenen Verpflichtung des Unternehmens, den Handelsvertreter bei seiner Tätigkeit zu unterstützen, aber durchaus Zweifel haben.

Allerdings muss das Unternehmen sehr genau dokumentieren, welche Stornoabwehrmaßnahmen es ergriffen hat. Gegebenenfalls kann der Versicherungsvertreter hierüber auch im Rahmen eines Buchauszuges gemäß § 87 c Abs. 2 HGB jederzeit Auskunft verlangen.

Schließlich hält der BGH bei Versicherungsverträgen, die nur geringe Provisionsrückforderungsansprüche gegenüber dem Vertreter auslösen können, ein automatisiertes Mahnverfahren offenbar für ausreichend. Wo allerdings die Grenze zwischen geringfügigen Provisionsansprüchen und höheren Provisionsansprüchen liegt, die in dem Fall, dass das Versicherungsunternehmen Provisionen zurückfordert, weitergehende Maßnahmen zur Stornoabwehr erfordern, lässt sich den Entscheidungen des BGH nicht entnehmen.

Nach wie vor sollten sich die Vertreter daher nicht von vorn herein entmutigen lassen, Rückforderungsansprüchen des Versicherungsunternehmens entgegenzutreten, wenn sie der Meinung sind, dass die notwendige Stornoabwehr durch das Unternehmen nicht stattgefunden hat.
Rechtsanwalt  Dr. Christoph