Ausgleichsanspruch des Versicherungsvertreters

13HK O 10668/03 Urteil verkündet am 23. Dezember 2003 LG München Ausgleichsanspruch

Landgericht München
Im Namen des Volkes
Urteil

In dem Rechtsstreit
[…]

wegen Forderung erlässt das Landgericht München I, 13. Kammer für Handelssachen, durch […] aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 04.11.2003 folgendes

Tenor

Endurteil:

I. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger … EUR nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz nach dem Diskontüberleitungsgesetz seit dem 19.11.2002 zu zahlen.

II. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

III. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

IV. Der Streitwert wird auf … EUR festgesetzt.

Tatbestand

Der Kläger verlangt von der Beklagten restlichen Handelsvertreterausgleich.

Der Kläger, Jahrgang 19 … schloss mit der Beklagten am 07./13.07. einen Versicherungsvertretervertrag, nachdem der Kläger für die Beklagte als selbständiger Versicherungsvertreter im Hauptberuf tätig werden sollte. Am 13.12.1996 vereinbarten die Parteien dass der Kläger ab 31.12. bzw. 1.1. mit den Spartenunternehmen […] und […] dem Kläger in direkte Vertragsbeziehungen trete. Der bisher bestehende Vertretervertrag mit der Bayernversicherung sollte Grundlage der Rechtsbeziehungen zwischen diesen Versicherungsunternehmen und dem Kläger sein.

Der Kläger schloss bei der Beklagten zwei Lebensversicherungen (Nr. […] und […]) ab. Am 13.3. […] wurde der Versicherungsschein für die Lebensversicherung mit der Nr. […] ausgestellt. Bereits vor Abschluss des Vertretervertrages hatte dem Kläger ein Merkblatt über die Beitragsbeteiligung der […] Versicherung zu Lebensversicherungen (Anl. B 3) vorgelegen, in dem folgendes unter Ziffer 4 festgehalten ist:

„Es besteht Einigkeit zwischen der […] Versicherung und dem Mitarbeiter, dass insoweit die Voraussetzungen für die Entstehung und die Bemessung eines Ausgleichsanspruches gemäß § 89 b HGB nicht erfüllt sind und die Zahlungen eines Ausgleichs nicht der Billigkeit entspricht, als die […] Versicherung Leistungen für die der Alters und Hinterbliebenenversorgung dienenden Lebensversicherung des Mitarbeiters erbringt oder erbracht hat“.

Entsprechend der Ankündigung im Merkblatt beteiligte sich die […] Versicherung mit … DM monatlich an den Beiträgen des Klägers zu der genannten Lebensversicherung. Ab Abschluss der Lebensversicherung wurde der Zuschuss seitens der […] Versicherung gezahlt.

Zudem schloss der Kläger bei der […] Versicherung einen weiteren Lebensversicherungsvertrag am 23.12. … ab. Zu den Vertragsunterlagen die der Kläger unterzeichnete gehörte ein Formular mit dem Titel Zusatzversorgung des hauptberuflichen Werbeaußendienstes der […] Versicherung (Anl. B 4). Unter § 7 dieses Formulars ist folgendes festgehalten:

„Ausgleichsanspruch gemäß § 89 b HGB“.

Es besteht Einigkeit zwischen der […] Versicherung und dem Mitarbeiter, dass insoweit die Voraussetzungen für die Entstehung und die Bemessung eines Ausgleichsanspruchs gemäß § 89 b HGB nicht erfüllt sind und die Zahlung eines Ausgleichs nicht der Billigkeit entspricht, als der Mitarbeiter von der […] Versicherung finanzierte Versicherungsleistungen erhalten oder zu erwarten hat“.

Mit Eingang der Antragsunterlagen des Klägers bei der […] Versicherung wurde die Zuschusszahlung seitens der Bayernversicherung mit Wirkung zum 1.1. … aufgenommen. Inhalt und Umfang dieser Bezuschussung sind im einzelnen zwischen den Parteien streitig.

Mit Schreiben vom 23.06. … kündigte die […] Versicherung AG stellvertretend für die oben genannten fünf Spartenunternehmen das jeweils bestehende Vertretervertragsverhältnis ordentlich zum 31.03.2001. Der Kläger war zum Beendigungszeitpunkt 46 Jahre alt. In der Folge machte der Kläger einen Handelsvertreterausgleichsanspruch geltend. Die Beklagte errechnete unter dem Schreiben vom 12.04. … (Anl. K 6) einen dem Kläger zustehenden Ausgleichsanspruch in Höhe von … DM aus. Von diesem Betrag zog sie gesellschaftsfinanzierte Leistungen zur Altersversorgung in Höhe von insgesamt DM … ab und überwies den Restbetrag.

Erstmals mit Schreiben vom 24.07. … wandte sich der Kläger gegen den vorgenommenen Abzug.

Der Kläger ist der Auffassung, ein Abzug der Leistungen zur Altersversorgung der Beklagten vom Handelsvertreterausgleich sei nicht wirksam vertraglich zwischen den Parteien vereinbart worden. Zudem bestreite er, dass die behaupteten Beteiligungen in diesem Umfang erbracht worden seien. Ein Abzug entspreche auch nicht der Billigkeit.

Der Kläger beantragt daher: Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger EUR nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz nach dem Diskontüberleitungsgesetz seit dem 19.11.2002 zu bezahlen.

Die Beklagte beantragt Klageabweisung.

Sie ist der Meinung, der vorgenommene Abzug sei zu Recht erfolgt. Unabhängig von der Frage, ob ein Abzug der Leistungen der Beklagten zur Altersversorgung des Klägers aufgrund wirksamer vertraglicher Vereinbarung möglich sei, sei ein solcher Abzug nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung in jedem Fall im Rahmen der Billigkeitserwägungen bei der Ermittlung des Handelsvertreterausgleiches vorzunehmen. Darüber hinaus habe der Kläger seinen Anspruch auf weiteren Handelsvertreterausgleich verwirkt, da er ein Jahr nach Zahlung diesen Abzug erst als ungerechtfertigt geltend gemacht habe.

Eine Beweisaufnahme fand nicht statt.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist in vollem Umfang begründet.

Die seitens der Beklagten vorgenommenen Abzüge von der von ihr ermittelten Handelsvertreterausgleichszahlung entsprechen nach Auffassung des Gerichts unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht der Billigkeit. Der Anspruch des Klägers ist auch nicht verwirkt. Der Kläger hat daher Anspruch auf Auszahlung des restlichen von der Beklagten ermittelten Ausgleichsanspruchs in Klagehöhe.

1. Gemäß § 89 b Abs. 1 Nr. 3 HGB ist ein Handelsvertreterausgleichsanspruch, der nach den Ziffern 1 und 2 ermittelt worden ist lediglich insoweit auszuzahlen, als zugleich die Zahlung eines solchen Ausgleiches unter Berücksichtigung aller Umstände der Billigkeit entspricht. Ein solcher Gesichtspunkt der im Rahmen der Billigkeit zu überprüfen ist, ist die Frage, ob das Unternehmen Leistungen zur Altersversorgung des Handelsvertreters erbracht hat (vgl. Baumbach/Hopt, Handelsgesetzbuch, 31. Aufl., Randnr. 39 zu § 89 b). Eine solche Berücksichtigung findet bei entsprechender Vereinbarung zwischen den Parteien statt. Allerdings muss die Altersversorgung den praktischen Zweck einer Ausgleichszahlung übernehmen. Daran fehlt es, wenn die Lebensversicherung nicht in angemessener Zeit nach Handelsvertretervertragsende fällig wird. Zu berücksichtigen ist auch, eine Doppelbelastung des Unternehmens.

Im vorliegenden Fall wären beide Lebensversicherungen erst … fällig, das heißt 14 Jahre nach Beendigung des Handelsvertretervertrages. Nach Auffassung des Gerichts kann damit im vorliegenden Fall die Lebensversicherung den praktischen Zweck einer Ausgleichszahlung nicht übernehmen. Dem Kläger ist durch die deutliche Reduzierung des ihm zustehenden Handelsvertreterausgleichs wesentlich erschwert, eine neue Existenz aufzubauen. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass dem Kläger vorliegend durch Anrechnung der Beiträge zur Altersversicherung ein Großteil des Ausgleichs verloren gegangen ist. Ihm ist von dem errechneten Betrag in Höhe von … DM lediglich der Betrag von … DM ausgezahlt worden, also nur etwas mehr als 1/4 des seitens der Beklagten errechneten Betrages. Auch der Gesichtspunkt, dass der Kläger seine Lebensversicherungen zurückkaufen könne, rechtfertigt keine andere Beurteilung. Mit dem Rückkauf einer Lebensversicherung in der ja auch neben den Beteiligungen und Zuschüssen der Beklagten Leistungen des Klägers enthalten sind, ist regelmäßig ein ganz erheblicher finanzieller Verlust verbunden. Es wäre unbillig den Kläger hierauf zu verweisen und wegen der Doppelbelastung des Unternehmens ihn auf die Möglichkeit zu verweisen unter erheblichen Verlusten seine Lebensversicherungen vorzeitig zu kapitalisieren.

2. Eine wirksame Vereinbarung zwischen den Parteien, dass die Beiträge der Beklagten zur Altersversicherung des Klägers vom Handelsvertreterausgleich in Abzug zu bringen sind, ist nicht getroffen worden. Die vertraglichen Unterlagen, auf die sich die Beklagte stützt, sind samt und sonders von dieser vorgegebene Formulierungen die nicht im Einzelnen ausgehandelt wurden, also allgemeine Geschäftsbedingungen. Im Rahmen von allgemeinen Geschäftsbedingungen kann der Anspruch auf Handelsvertreterausgleich grundsätzlich nicht ausgeschlossen oder gemindert werden, § 89 b Abs. 4 HGB.

3. Der Umstand dass in den Merkblättern bzw. den Formularen zu den Lebensversicherungen der Beklagten und ihrer Unternehmen darauf hingewiesen wurde, dass der Abzug der Beiträge der Beklagten zur Altersversorgung des Klägers im Rahmen der Ermittlung des Handelsvertreterausgleichs billig sei, führt nicht dazu, dass dieser Ausgleich tatsächlich vorzunehmen ist. Tatsächlich konnte der Kläger aufgrund der Merkblätter bzw. Formulare von diesem Ausgangspunkt der Beklagten Kenntnis nehmen und hat dennoch die ihm angebotenen Lebensversicherungsverträge abgeschlossen. Dies führt jedoch lediglich dazu, dass zu prüfen ist, ob ein Abzug der Billigkeit entspricht, nachdem eine Vereinbarung über diesen Abzug wirksam gerade nicht stattgefunden hat. Die Abwägung der Umstände ergibt jedoch, wie oben dargestellt, im vorliegenden Fall, dass der Beklagten die volle Auszahlung des Handelsvertreterausgleiches zuzumuten ist, um es dem Kläger zu erleichtern, eine neue Existenz aufzubauen. Er kann nicht darauf verwiesen werden, dass er seine Altersversorgung, zu der er selbst auch erhebliche Leistungen erbracht hat, zu diesem Zweck unter Verlusten kapitalisiert.

4. Der Anspruch des Klägers ist auch nicht verwirkt. Verwirkung setzt neben dem Zeitmoment ein Umstandsmoment voraus, aus dem der Schuldner entnehmen konnte, dass der Gläubiger einen Anspruch nicht mehr geltend machen werde. Außer dass der Kläger einen geraumen Zeitraum verstreichen ließ, hat er jedoch kein Verhalten gezeigt, das einen Verzicht seines Anspruchs auf den vollen Handelsvertreterausgleich angedeutet hätte.

Die Entscheidungen über die Zinsen, Kosten und die vorläufige Vollstreckbarkeit ergeben sich aus dem Gesetz.

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