In der Praxis stellt sich dem Unternehmer häufig die Frage, wie sich eine generelle Untätigkeit des Bezirksvertreters, d.h. desjenigen Vertreters, der nach § 87 Abs. 2 HGB einen Provisionsanspruch auch für die ohne seine Mitwirkung in dem ihm zugewiesenen Bezirk geschlossenen Geschäfte hat, auf die Provisionspflicht auswirkt.

1. Die Untätigkeit kann z.B. auf einer vorübergehenden Erkrankung, auf Arbeitsunfähigkeit oder auch auf einer Pflichtverletzung des Bezirksvertreters beruhen. Mitunter wünscht ein Kunde im Bezirk des Handelsvertreters auch direkt vom Unternehmen aus – und damit nicht vom Handelsvertreter – betreut zu werden. Sind derartige „Direktgeschäfte“ dem Bezirksvertreter ebenfalls zu vergüten oder kann der Unternehmer in diesem Fall die Zahlung der Provision nach § 87 Abs. 2 HGB unter Berufung auf ein Leistungsverweigerungsrecht nach §§ 323 f. BGB mit der Begründung verweigern, dass der Kunde es ablehnt, von dem Handelsvertreter betreut zu werden?

2. Die Rechtsprechung geht heute nahezu einhellig davon aus, dass auch eine dauernde Erkrankung bzw. eine vorübergehende Arbeitsunfähigkeit des Handelsvertreters nicht automatisch zu einer Beendigung des Agenturvertrags führt. Die Parteien sind vielmehr berechtigt, den Handelsvertretervertrag aus wichtigem Grund zu kündigen. Solange das Vertragsverhältnis jedoch besteht, ist die Bezirksprovision gemäß den vertraglichen Vereinbarungen an den Handelsvertreter zu zahlen. Im Übrigen bestehen bereits im Ausgangspunkt Meinungsverschiedenheiten in der Rechtsprechung darüber, ob die Vorschriften über die Leistungsstörungen bei gegenseitigen Verträgen (§§ 320 ff. BGB) auf den Handelsvertretervertrag Anwendung finden können oder nicht. In der jüngeren Rechtsprechung wird dies teilweise grundsätzlich mit der Begründung verneint, die Vorschriften würden durch die Rechte zur ordentlichen bzw. außerordentlichen Kündigung nach Maßgabe der Vorschrift des § 89, 89 a HGB verdrängt (vgl. dazu OLG Braunschweig, Urt. v. 17.06.1993, NJW-RR 94, 34).

Überwiegend geht man dem gegenüber immer noch davon aus, dass die Vorschriften der §§ 323 f. BGB im Falle von Leistungsstörungen auch auf einen Bezirksvertretervertrag Anwendung finden (OLG Stuttgart, Urt. v. 22.05.1970, BB 70, 1112; OLG Hamm, Urt. v. 18.12.1998).

3. Auch wenn der Bundesgerichtshof die Anwendung der Leistungsstörungsregeln des allgemeinen Schuldrechts auf den Handelsvertretervertrag nicht von vornherein unter Hinweis auf den Charakter des Handelsvertretervertrages als Dauerschuldverhältnis abgelehnt hat (vgl. dazu BGH, Urt. v. 18.06.1959, NJW 59, 1490), bedeutet dies nicht, dass ein Unternehmen unter Berufung auf die Regeln in §§ 323 f. die Zahlung der Bezirksprovision unter Hinweis darauf verweigern kann, dass ein einzelner Kunde es ablehnt, mit dem Handelsvertreter zusammenzuarbeiten. Maßgeblich hierfür ist der Umstand, dass die Bezirksprovision eine Gegenleistung des Unternehmers für die fortlaufende Betreuung des Bezirkes durch den Handelsvertreter darstellt.

Tipp: Bei der Bezirksprovision handelt es sich um eine Vergütung für die Gesamttätigkeit des Handelsvertreters, also die Bearbeitung des ihm übertragenen Bezirks während der Dauer seiner Tätigkeit. Dem Handelsvertreter wird über die durch seine Bemühungen im Einzelfall verdiente Provision hinaus eine Vergütung für die Wahrnehmung der Belange des Unternehmers in dem Bezirk allgemein gewährt. Die geschuldete allgemeine Bezirksbetreuungsleistung wird z.B. durch die Verweigerung der Zusammenarbeit seitens eines einzelnen Kunden weder unmöglich noch substantiell eingeschränkt.

Wichtig: Gegenstand der Bemühungen des Bezirksvertreters ist der Bezirk insgesamt, nicht der einzelne Kunde. Unerheblich ist es daher auch, ob der Handelsvertreter den einzelnen Kunden besucht oder nicht. Soweit die Rechtsprechung bisher ein Leistungsverweigerungsrecht hinsichtlich der Bezirksprovision eingeräumt hat, liegen dem jeweils Fallgestaltungen zu Grunde, in denen der Handelsvertreter seiner fortlaufenden Pflicht zur Betreuung des Bezirks (schuldhaft) nicht nachgekommen ist, indem er die ihm obliegende Mitarbeit etwa grundlos abgelehnt hat, oder, um nicht tätig werden zu müssen, arglistig die Mühen und Kosten auf den Unternehmer abgeschoben hat. Es kommt hinzu, dass es den Anspruch auf Bezirksprovision sogar unberührt lässt, wenn der Handelsvertreter vorübergehend daran gehindert ist, seinen Bezirk zu betreuen (OLG Hamm, Urt. v. 18.12.1998).

Dies zeigt, wie zurückhaltend die Rechtsprechung auf das Thema Leistungsstörungen beim Bezirksvertretervertrag reagiert. Auch ein Leistungsverweigerungsrecht aus dem Gesichtspunkt einer Verwirkung des Provisionsanspruchs kommt nicht in Betracht, wenn ein Kunde z.B. wegen der Tatsache, dass der Handelsvertreter vor seiner Tätigkeit für den Unternehmer für den Kunden selbst tätig war, die Zusammenarbeit mit dem Handelsvertreter ablehnt. Dass der Handelsvertreter vor Aufnahme seiner Tätigkeit etwa im Streit mit einem Kunden auseinandergegangen ist, kann ihm nicht zur Last gelegt werden. Dem Handelsvertreter könnte allenfalls ein Aufklärungsverschulden zur Last gelegt werden, wenn er den Streit mit einem Kunden bei Abschluss des Handelsvertretervertrages verschwiegen hat, obgleich ihm bewusst war, dass es sich um einen wichtigen Abnehmer des vertretenen Unternehmers handelt.

Wichtig: In der Regel kann daher dem Vertreter für den Fall, dass es ein Kunde ablehnt, vom Handelsvertreter betreut zu werden, die Provision nicht vorenthalten werden.

Tipp: Möglich wäre es jedoch, eine Änderungskündigung auszusprechen. Die Änderungskündigung sollte mit der Maßgabe erfolgen, dem Vertreter die weitere Tätigkeit auf der Grundlage anzubieten, den bisherigen Bezirk mit Ausnahme des entsprechenden Kunden weiterhin zu bearbeiten oder von vornherein auf einen reinen Kundenschutzvertrag überzugehen. Bei dem Angebot an den Vertreter sollte allerdings darauf geachtet werden, dass sein Kundenpotential nicht nur beschränkt wird, sondern die Kundenschutzlösung ihm auch Vorteile gewährt.

Achtung: Im Zusammenhang mit einer Änderungskündigung ist zu berücksichtigen, dass der Vertreter dann, wenn er Ihr Änderungsangebot nicht annimmt, seinen Ausgleichsanspruch geltend machen kann, sofern die weitergehende Voraussetzungen der Vorschrift des § 89 b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 HGB vorliegen.

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