Die fristlose Kündigung – Voraussetzungen und Rechtsfolgen

Rechtstipp Ausgleichsanspruch, Kündigung des Handelsvertretervertrags

Im Laufe eines Handelsvertreterverhältnisses sind für beide Parteien Situationen denkbar, in denen sich die Frage stellt, ob nicht die sofortige Auflösung des Handelsvertretervertrages möglich ist.

Unabhängig von einer einvernehmlichen Beendigung durch Aufhebungsvereinbarung kann der Handelsvertretervertrag auch durch einseitige Erklärung vorzeitig beendet werden, wenn ein wichtiger Grund vorliegt. Dieses Recht zur außerordentlichen/fristlosen Kündigung darf weder ausgeschlossen noch beschränkt werden (§ 89 a HGB).

1. Voraussetzungen:

a. Wichtiger Grund
Bei der Prüfung, ob ein wichtiger Grund gegeben ist, der zur fristlosen Kündigung berechtigt, steht die Frage im Vordergrund, ob dem Kündigenden die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses bis zum nächstmöglichen ordentlichen Kündigungstermin zugemutet werden kann oder nicht. Dabei kommt es auf die Umstände des Einzelfalles an, z.B. die Dauer des Vertragsverhältnisses, die Ausgestaltung der persönlichen und sachlichen Beziehungen und nicht zuletzt das eigene Verhalten des Kündigenden.

Unerheblich ist dagegen, ob die Vertragsstörung auf einem Verschulden des Gekündigten beruht (auch wenn dies häufig der Fall ist). Ein wichtiger Grund kann auch im Einflussbereich des Kündigenden liegen, auf Unternehmerseite beispielsweise die Weisung einer Muttergesellschaft an ihr Tochterunternehmen, das Vertragspartner des Handelsvertreters ist, den Vertrieb einzustellen. Auf Seiten des Handelsvertreters kann z.B. ein Unfall, der es dem Handelsvertreter unmöglich macht, seine Tätigkeit für das vertretene Unternehmen fortzuführen, die sofortige Beendigung des Vertragsverhältnisses rechtfertigen.

Beispiele für einen wichtigen Grund sind:

(für beide Parteien)
Verletzung wesentlicher Vertragspflichten durch den Vertragspartner, unberechtigte fristlose Kündigung des anderen,

(für den Unternehmer)
Verletzung des Wettbewerbsverbots durch den Handelsvertreter, Konkurs des Handelsvertreters,

(für den Handelsvertreter)
Abwerbung von Kunden durch den Unternehmer, unzulässige einseitige Gebietsverkleinerung oder Provisionskürzung durch den Unternehmer.

b. Abmahnung
Zu beachten ist, dass eine fristlose Kündigung regelmäßig voraussetzt, dass der Kündigende den Vertragspartner vorher auf den Vertragsverstoß hinweist und ihm Gelegenheit zu vertragstreuem Verhalten gibt.

Die Abmahnung ist nur dann entbehrlich, wenn der zu Kündigende nicht mehr die Möglichkeit hat, „auf den Pfad der Tugend“ zurückzukehren und das Vertrauensverhältnis zwischen den Parteien unwiederbringlich zerstört wurde. Dies ist insbesondere bei Verstößen gegen das Wettbewerbsverbot bzw. bei Ausspruch einer unberechtigten fristlosen Kündigung der Fall.

c. Frist 
Anders als im Arbeitsrecht (Frist 2 Wochen) sieht das Handelsvertreterrecht keine Frist für die außerordentliche Kündigung gemäß § 89 a HGB vor. Hier kommt es auf die Umstände des Einzelfalles an. Nach der Rechtsprechung beträgt die Frist zur Aufklärung und Überlegung zum Kündigungsgrund aber keinesfalls mehr als 6 bis 8 Wochen.

Wer seit Kenntniserlangung vom Kündigungsgrund mit der fristlosen Kündigung länger wartet, bringt damit zum Ausdruck, dass es ihm durchaus zumutbar ist, das Vertragsverhältnis zumindest noch bis zum nächsten ordentlichen Kündigungstermin fortzusetzen.

d. Form 
Eine fristlose Kündigung kann grundsätzlich auch mündlich ausgesprochen werden. Schon aus Beweisgründen empfiehlt sich jedoch stets eine schriftliche Erklärung.

Einer Begründung bedarf die außerordentliche Kündigung für ihre Wirksamkeit nicht. Es genügt, dass sie unzweideutig aus wichtigem Grunde ausgesprochen wurde. Der Gekündigte hat allerdings das Recht, vom Kündigenden eine Begründung zu verlangen.

e. Zugang
Eine Kündigung wird erst mit Zugang der Erklärung beim Gekündigten wirksam. Dieser muss unter normalen Umständen die Möglichkeit haben, von der Kündigungserklärung Kenntnis zu nehmen. Nimmt er keine Kenntnis, z.B. weil er seinen Briefkasten mehrere Tage nicht leert, gilt die Kündigung in dem Moment als zugegangen, in dem sie zu den üblichen Geschäftszeiten in seinen Briefkasten eingeworfen wurde.

Merke: Bei einer per Einschreiben mit Rückschein zugesandten Kündigung gilt der Einwurf des Benachrichtigungszettels in den Briefkasten noch nicht als Zugang der Kündigung. Zugegangen ist eine Kündigung in solchen Fällen erst dann, wenn der Gekündigte die Möglichkeit hatte, das Kündigungsschreiben bei der Post abzuholen.  

2. Rechtsfolgen:

a. Eine wirksame fristlose Kündigung beendet das Vertragsverhältnis mit Zugang des Kündigungsschreibens.

b. Der Vertragspartner, dem fristlos gekündigt wurde, ist zum Ersatz des durch die vorzeitige Aufhebung des Vertragsverhältnisses entstandenen Schadens verpflichtet, sofern die Kündigung durch ein Verhalten veranlasst wurde, das er zu vertreten hatte. Der Gekündigte muss also vorsätzlich oder fahrlässig die ihm aus dem Vertrag obliegenden Pflichten verletzt haben.

c. Ausgleichsanspruch

Wichtig: Ein Ausgleichsanspruch ist nur dann ausgeschlossen, wenn der Unternehmer das Vertragsverhältnis aus wichtigem Grund wegen schuldhaften Verhaltens des Handelsvertreters gekündigt hat.

Kündigt der Unternehmer beispielsweise, weil der Handelsvertreter aufgrund eines Unfalls nicht mehr in der Lage ist, seine Tätigkeit wieder aufzunehmen, lässt diese Kündigung den Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters ebenso unberührt wie eine Kündigung des Unternehmers, die auf einem aus seiner Sphäre stammenden wichtigen Grund beruht (s.o.).

d. Derjenige Vertragspartner, der wirksam das Vertragsverhältnis aus wichtigem Grund wegen schuldhaften Verhaltens des anderen fristlos kündigt, kann sich des Weiteren von einem etwaigen nachvertraglichen Wettbewerbsverbot lossagen.

Wichtig: Diese Erklärung muss schriftlich und binnen einem Monat nach der Kündigung erfolgen.

e. Eine unwirksame fristlose Kündigung ist in aller Regel in eine fristgerechte Kündigung zum nächstmöglichen ordentlichen Kündigungstermin umzudeuten.

Merke: Der zu Unrecht gekündigte Vertragspartner hat aufgrund der unberechtigten fristlosen Kündigung seinerseits das Recht, das Vertragsverhältnis aus wichtigem Grund fristlos zu kündigen. Dies hat z.B. für den zu Unrecht fristlos gekündigten Handelsvertreter, der daraufhin selbst fristlos kündigt, den Vorteil, dass er frei ist, andere Tätigkeiten zu übernehmen, auch konkurrierende, sofern kein nachvertragliches Wettbewerbsverbot besteht.

Der Nachteil besteht allerdings darin, dass er seinen Erfüllungsanspruch auf Provision verliert und an dessen Stelle nur ein Schadensersatzanspruch wegen Nichterfüllung tritt, auf den die Einnahmen aus der anderweitig übernommenen Tätigkeit ebenso anzurechnen sind wie ersparte Kosten.

Tipp: Insbesondere der Bezirksvertreter sollte es sich daher gut überlegen, ob er eine unwirksame fristlose Kündigung des Unternehmers seinerseits mit einer fristlosen Kündigung beantworten will.