Begründeter Anlass für eine ausgleichserhaltende Eigenkündigung

Rechtstipp Kündigung des Handelsvertretervertrags, Versicherungsvertreterrecht

Bei Vertragsende entsteht für Handels-, Versicherungs- und Bausparkassenvertreter gemäß § 89 b HGB dem Grunde nach ein Ausgleichsanspruch. Das gilt aber grundsätzlich nicht, wenn der Vertreter den Vertretervertrag selbst kündigt. Die Eigenkündigung des Vertreters schließt den Ausgleichsanspruch nur dann nicht aus, wenn der Kündigung ein:

  • altersbedingter Grund,
  • krankheitsbedingter Grund oder
  • ein sonstiger begründeter Anlass wegen eines Verhaltens des Unternehmers zugrunde lag (§ 89 b Abs. 3 Nr. 1 HGB).

Letzteres wird nach ständiger Rechtsprechung dann angenommen, wenn dem Vertreter ein Festhalten am Vertrag nach Treu und Glauben nicht mehr zumutbar war. Der begründete Anlass muss nicht den Anforderungen genügen, die an einen „wichtigen Grund“ für die fristlose Kündigung des Vertretervertrages gestellt werden. Unter Umständen kann sogar ein rechtmäßiges Verhalten des Unternehmers einen begründeten Anlass darstellen.

Anhand dieser Umschreibungen in der Rechtsprechung wird eines deutlich:

WICHTIG: Ob ein ausgleichserhaltender begründeter Anlass für die Kündigung des Vertreters vorliegt, ist immer Frage des Einzelfalls. Generelle Leitlinien lassen sich insoweit nicht aufstellen.

Höchstrichterlich entschieden wurde beispielsweise ein Fall, in dem der Unternehmer zuerst fristlos gekündigt hatte. Diese Kündigung war unberechtigt. Das gab dem Vertreter einen begründeten Anlass im Sinne des § 89 b Abs. 3 Nr. 1 HGB, das Vertragsverhältnis seinerseits unter Erhalt des Ausgleichsanspruchs dem Grunde nach zu kündigen, und zwar ausnahmsweise sogar fristlos.

WICHTIG: Regelmäßig kann der Handelsvertreter aus begründetem Anlass ausgleichserhaltend nur ordentlich, das heißt unter Einhaltung der Kündigungsfrist, kündigen, da der begründete Anlass üblicherweise keine Unzumutbarkeit im Sinne eines außerordentlichen Kündigungsrechts voraussetzt. In die Kündigungserklärung ist aufzunehmen, dass die Kündigung aus „begründetem Anlass“ ausgesprochen wird.

Dass die Rechtsprechung hier von Einzelfallentscheidungen geprägt ist, zeigt auch ein Urteil des Landgerichts Köln vom 17.02.2005:

Der Versicherungsvertreter hatte nach einer Fusion des von ihm vertretenen Unternehmens mit einem anderen Unternehmen einen Buchauszug (§ 87 c Abs. 2 HGB) gefordert, der sich über knapp vier Jahre erstrecken sollte. Das Unternehmen teilte dem Vertreter mit, dass die Bearbeitungszeit für die Erteilung eines vollständigen Buchauszuges aufgrund fusionsbedingter Umstellungsschwierigkeiten etwa ein Jahr betrage.

In dieser Antwort des Unternehmens sah das Landgericht Köln keinen begründeten Anlass für den Vertreter, das Vertragsverhältnis zu kündigen. Dabei würdigte das Gericht einzelfallbezogen, dass die Erstellung eines Buchauszuges über knapp vier Jahre einen erheblichen Zeitaufwand bereite. Hinzu komme die Zusammenführung der Datenbestände der fusionierten Unternehmen, die eine Erstellung weiter erschwere. Dem Vertreter seien zudem – jedenfalls für einen Zeitraum für der Fusion – andere Unterlagen zur Verfügung gestellt worden, anhand derer er seine Provisionsansprüche habe überprüfen können.

Auch in dem Umstand, dass einzelne Provisionen aufgrund einseitigen Widerrufs durch das fusionierte Unternehmen nicht mehr gezahlt wurden, sah das Landgericht Köln im Ergebnis keinen begründeten Anlass. Es nahm zwar an, dass dieser einseitige Widerruf unberechtigt war. Das Unternehmen hatte allerdings dargestellt, dass die Vergütung aufgrund weiterer Strukturänderungen innerhalb des Vergütungssystems insgesamt höher liegen werde. Dieser Darstellung war der Kläger nicht konkret entgegengetreten.

WICHTIG: Im Prozess trägt der Vertreter die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen eines begründeten Anlasses!

Im Ergebnis zeigt die Entscheidung des Landgerichts Köln, wie weit der Spielraum ist, innerhalb dessen ein begründeter Anlass bejaht oder verneint werden kann. Streitigkeiten mit ungewissem Ausgang sind bei solchen Konstellationen praktisch vorprogrammiert.

TIPP: Sollte der Vertreter seine Tätigkeit für das Unternehmen beenden, auf seinen Ausgleichsanspruch aber nicht verzichten wollen, empfiehlt es sich in vielen Fällen, mit dem Unternehmen zunächst über eine einvernehmliche Aufhebung des Vertretervertrages zu verhandeln. Die bloße einvernehmliche Aufhebung führt nicht dazu, dass der Ausgleichsanspruch dem Grunde nach ausgeschlossen ist.