Ausgleichsanspruch Versicherungsvertreter

Rechtstipp Versicherungsvertreterrecht

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) können nur die Provisionen einen Ausgleich gemäß § 89 b HGB begründen, die ein Versicherungsvertreter infolge der Beendigung seines Vertragsverhältnisses verliert, die als Gegenleistung für vermittelnde und werbende Tätigkeiten gezahlt werden. Soweit ein Vertreter hingegen mit der Vertragsbeendigung Provisionen für sog. verwaltende Tätigkeiten verliert, kann er für diese Provisionsverluste keinen Ausgleich beanspruchen. Darüber besteht seit Jahrzehnten Einigkeit. Streit besteht jedoch darüber, ob und in welchem Umfang in den als „Inkassoprovisionen“ oder „Bestandspflegeprovisionen“ bezeichneten Vergütungen auch ein Entgelt für vermittelnde und werbende Leistungen enthalten ist. Das ist auch nach einer Entscheidung des BGH vom 22.12.2003 weiterhin offen und im Einzelfall zu prüfen.

Der BGH hat zunächst betont, dass es für eine rechtliche Unterscheidung in Provisionen für vermittelnde und Provisionen für verwaltende Tätigkeiten nach wie vor nicht ausreicht, wenn in einem Vertretervertrag die Gesamtvergütung lediglich in Abschluss-, Vermittlungs- und Verlängerungsprovision einerseits und Inkasso- oder Bestandsprovision andererseits aufgeteilt ist, ohne dass diesen Provisionen auch entsprechende Aufgaben des Vertreters zugeordnet sind.

In dem am 22.12.2003 vom BGH entschiedenen Fall hatten die Parteien im Versicherungsvertretervertrag den einzelnen Provisionsbegriffen bestimmte Aufgaben des Vertreters zugeordnet. Deshalb hatte sich der BGH mit der Frage zu beschäftigen, ob die Vergütung, die für Maßnahmen der Bestandspflege, der Stornoabwehr sowie der Betreuung der Versicherungskunden in Schadensfällen bezahlt worden ist, eine Vergütung für vermittelnde und werbende oder für verwaltende Leistungen des Vertreters darstellt.

Nach Auffassung des BGH handelt es sich auch dann, wenn Maßnahmen der Bestandspflege und der Stornoabwehr sowie die Betreuung der Versicherungskunden in Schadensfällen beim Versicherungsnehmer ein günstiges Klima für die Sicherung des Fortbestandes oder die Erweiterung bestehender Verträge oder den Abschluss neuer Versicherungsverträge schaffen, bei den dafür gezahlten Provisionen nicht um solche, die der Vertreter für die Vermittlung oder den Abschluss neuer Versicherungsverträge erhält und die allein für seinen Ausgleichsanspruch Berücksichtigung finden können. Denn die Pflege bestehender Vertragsverhältnisse sei keine Tätigkeit, die sich unmittelbar auf das Zustandekommen neuer Versicherungsverträge richte. Soweit sie diesen Erfolg im Einzelfall zeitige, erhalte der Vertreter für die Vermittlung des Neuvertrages eine Abschlussprovision, für die Verlängerung bestehender Versicherungsverträge eine Verlängerungsprovision. Damit seien Akquisitionserfolge, die auf Bestandspflege- oder Schadensregulierungsmaßnahmen zurückgehen, abgegolten.

Demgegenüber könnten Bestandspflege- und Schadensregulierungsmaßnahmen, die nicht zu einer Ausweitung des Vertragsbestandes führen, sondern lediglich bewirken, dass ein Versicherungsnehmer einen bereits bestehenden Versicherungsvertrag nicht vorzeitig beendet, nicht der vermittelnden, auf das Zustandekommen neuer oder die Erweiterung bestehender Verträge gerichteten Tätigkeit des Versicherungsvertreters zugerechnet werden. Dies gelte ungeachtet der Erfahrungstatsache, dass Bestandspflegemaßnahmen und Serviceleistungen im Rahmen einer Schadensregulierung sich besonders zur Festigung der Kundenbindung eignen und von der das Versicherungsunternehmen profitiert.

Aus dieser Entscheidung des BGH ergeben sich Konsequenzen für die Versicherungsvertreter, in deren Vertrag über die bloß pauschale Aufteilung der Vergütung in Abschluss-, Vermittlungs- und Verlängerungsprovisionen einerseits sowie Inkasso- oder Bestandspflegeprovisionen andererseits auch eine konkrete Verteilung und Zuordnung der Aufgaben auf die einzelnen Vergütungsbestandteile geregelt ist. Wird der Ausgleichsanspruch nicht nach den „Grundsätzen“ abgewickelt, ist davon auszugehen, dass Versicherungsvertreter nur dann noch eine Chance haben, einen weitergehenden Ausgleichsanspruch zu begründen, wenn sie dezidiert darlegen und ggf. mit Hilfe der von ihnen betreuten Versicherungsnehmer nachweisen, dass die Verteilung im Versicherungsvertretervertrag, was die Anteile der Vermittlungs- und Verwaltungstätigkeiten an der Gesamtvergütung anbetrifft, tatsächlich nicht der Praxis entspricht.

Um das nachzuweisen, ist es erforderlich, dass der Versicherungsvertreter während der Dauer seines Vertragsverhältnisses in Bezug auf die einzelnen Versicherungssparten und Verträge EDV-gestützt eine Art „Tagebuch“ führt. Darin sollte er festhalten, welche Leistungen er mit welchem Zeitaufwand für die Vermittlung sowie danach während der Dauer des von ihm vermittelten Versicherungsvertrags erbracht hat. So wird er dann bei Beendigung seines Vertragsverhältnisses detailliert darlegen können, dass der Aufwand für die Vermittlung oder Verlängerung eines Versicherungsvertrages viel höher ist als der in der Regel sehr geringe zeitliche Aufwand für die während der Dauer des Versicherungsvertrages erbrachten Betreuungsleistungen. Eine solche Verteilung der Tätigkeiten bedeutet im Ergebnis, dass in den ab dem 2. Versicherungsjahr gezahlten Inkasso- oder Bestandspflegeprovisionen noch ein erheblicher Vergütungsanteil für Vermittlungsleistungen enthalten ist.

Die Aufzeichnungen der Vertreter werden in der Praxis sicherlich zu unterschiedlichen Ergebnissen führen. Der eine Vertreter hat sich darauf konzentriert, Neugeschäft im Wesentlichen mit neuen Kunden zu vermitteln, wohingegen der andere mehr Wert auf die Betreuung der bestehenden Kunden mit dem Ziel der Verlängerung bestehender und dem Abschluss neuer Verträge mit diesen Kunden gelegt hat. Hinzu kommen außerdem Unterschiede in der Betreuungsintensität der Verträge in den verschiedenen Versicherungssparten.

Eine Darlegung der tatsächlichen Handhabung während der Dauer eines Versicherungsvertretervertrages wird aber in den meisten Fällen zu Tage fördern, dass die von Versicherungsunternehmen in Versicherungsvertreterverträgen vorgenommene Aufteilung der Gesamtvergütung in Vermittlungs- und Verwaltungsprovisionen im Hinblick auf Art und Umfang der Aufgaben tatsächlich nicht der Praxis entspricht, mag sie auch vertraglich konkret formuliert sein. Vielmehr wurde die vertragliche Verteilung allein von der Überlegung geleitet, den Ausgleichsanspruch des Versicherungsvertreters, wenn nicht von vornherein auszuschließen, so doch zumindest auf ein Minimum zu reduzieren.

Selbst die Versicherungsunternehmen gehen davon aus, dass in den Inkasso- oder Bestandspflegeprovisionen noch ein Vermittlungsanteil enthalten ist. Dies zeigt nicht zuletzt die Tatsache, dass sie beispielsweise nach den „Grundsätzen Sach“ den dem Vertreter zustehenden Ausgleich ausschließlich auf Basis der sog. Bestandspflegeprovisionen ermitteln, die der Vertreter in der Regel ab dem 2. Versicherungsjahr erhält.

Der BGH nimmt unter anderem an, dass der Umstand, dass die Provisionssätze der Abschlussprovision diejenigen der Verwaltungsprovision in der Regel erheblich übersteigen, für eine Einmalprovision spräche, durch die die Vermittlungsleistung vollständig abgegolten sei. Wäre dies richtig, gäbe es überhaupt keine Provisionen für vermittelnde Leistungen, die der Versicherungsvertreter zukünftig verlieren könnte, so dass er überhaupt keinen Ausgleich beanspruchen könnte. Die Annahme des BGH beruht aber auf einem vermeidbaren Rechenfehler. Ein Vergleich der Provisionssätze kann allein deshalb nicht zu dem vom BGH angenommenen Ergebnis führen, weil ein Versicherungsvertrag in der Regel über Jahre, wenn nicht sogar über Jahrzehnte besteht. Dieser vom BGH nicht berücksichtigte Gesichtspunkt führt dazu, dass die Provisionseinnahmen des Versicherungsvertreters aus den während der Dauer eines Versicherungsvertrages gezahlten sog. Bestandspflegeprovisionen trotz niedrigerer Provisionssätze die Provisionseinnahmen deutlich übersteigen, die er aus Vermittlungs-, Abschluss- und Verlängerungsprovisionen für den jeweiligen Versicherungsvertrag erzielt.

Zusammenfassend gilt für die Versicherungsvertreter, in deren Verträgen konkrete Aufgaben den jeweiligen Provisionsbegriffen zugeordnet sind: Ohne eine detaillierte Darlegung zum Anteil der tatsächlich im Einzelfall erbrachten Vermittlungs- und Verwaltungsleistungen in den einzelnen Versicherungssparten sowie im Bestreitensfall ohne den entsprechenden Nachweis durch das Zeugnis der „betreuten“ Versicherungsnehmer (z.B. durch vorgeschaltete schriftliche Befragung), wird es nicht gelingen, einen Ausgleichsanspruch darzulegen, der den Anspruch übersteigt, der nach den „Grundsätzen“ berechnet wird. Wer sich also die Möglichkeit erhalten will, einen höheren Anspruch durchzusetzen, wird während der Dauer seiner Tätigkeit für jeden einzelnen Versicherungsvertrag Buch über seinen Tätigkeitsumfang bis zum Abschluss und während der Vertragsdauer führen müssen. Dazu sollte er die Möglichkeiten nutzen, die ihm elektronische Kundeninformations- und Verwaltungsprogramme heute schon bieten.

Für die Versicherungsvertreter, in deren Verträgen den unterschiedlichen Provisionen keine Aufgaben detailliert und klar zugeordnet sind, bleibt es hingegen grundsätzlich dabei, dass sie sich nach der Tankstellenpächterrechtsprechung des BGH auf die Behauptung beschränken können, dass die pauschale vertragliche Aufteilung in Vermittlungs- und Verwaltungsprovisionen der tatsächlichen Praxis nicht entspricht, vgl. hierzu Entscheidung des BGH vom 01.06.2005.