Internationale Schiedsverfahren

Rechtstipp Grenzüberschreitender Vertrieb

Im letzten Online-Rechtstipp wurde die Frage behandelt, welches Gericht im Falle eines Rechtsstreits bei internationalen Handelsvertreterverträgen zuständig ist. Können sich die Beteiligten nicht einigen, muss ein Schiedsverfahren klären.

Im Falle eines Gerichtsstreites um internationale Handelsvertreterverträge können sich die Parteien manchmal nicht auf ein Gericht einigen. Jede der Parteien befürchtet, vor einem Gericht im Heimatland des Vertragspartners schlechtere Karten zu haben.

Diese Befürchtung ist auch nicht unbegründet: Wer im Ausland klagen möchte oder dort verklagt wird, steht zunächst vor der Schwierigkeit, einen geeigneten Rechtsanwalt zu finden. Beherrscht man die Landessprache nicht, führt dies zu weiterem Aufwand.

Es gelingt daher in vielen Fällen nicht, sich auf einen Gerichtsstand zu einigen. Als „Kompromiss“ wird sich teilweise darauf geeinigt, im Falle von Streitigkeiten ein Schiedsverfahren durchzuführen, beispielsweise vor dem Gerichtshof der Internationalen Handelskammer in Paris (ICC).

Im Folgenden soll das Für und Wider einer solchen Schiedsvereinbarung dargestellt werden.

1. Vorteile des internationalen Schiedsverfahrens
Der größte Vorteil eines Schiedsverfahrens zeigt sich erst nach dessen Durchführung. In bestimmten Konstellationen kann der Schiedsspruch nämlich leichter durchgesetzt (vollstreckt) werden, als das Urteil eines staatlichen Gerichts.

Ein Beispiel: Der Unternehmer U lässt seine Waren über den Vertragshändler V in Russland vertreiben. Es kommt zum Streit darüber, ob der U verpflichtet ist, dem V auch bestimmte neuartige Produkte zu liefern. V hält fällige Kaufpreiszahlungen zurück und verklagt den U vor einem deutschen Gericht auf Belieferung mit den fraglichen Produkten. U beantragt Klageabweisung und erhebt wegen der fälligen Kaufpreiszahlungen Widerklage. Das Gericht entscheidet zugunsten des U, das Urteil wird rechtskräftig.

Weigert V sich nun zu zahlen, so nützt dem U das Urteil eines deutschen Gerichts wenig: Er kann nämlich aus diesem Urteil nicht in Russland vollstrecken lassen. Nur wenn er in Russland geklagt (und obsiegt) hätte, könnte er das Urteil auch vollstrecken lassen.

Genau wie Russland erkennen viele andere Länder die Urteile deutscher Gerichte nicht an. Dies gilt beispielsweise auch für China.

Anders wäre es, wenn U und V sich vor einem Schiedsgericht gestritten hätten.

TIPP: Nach dem so genannten New Yorker-Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche vom 10. Juni 1958 können Schiedssprüche heute praktisch weltweit anerkannt und vollstreckt werden.

U könnte einen Schiedsspruch also in Russland vollstrecken, unabhängig davon, wo das Schiedsgericht seinen Sitz hatte.

2. Nachteile des internationalen Schiedsverfahrens
Der größte Nachteil des Schiedsverfahrens besteht darin, dass sein Ausgang weniger vorhersehbar ist, als der eines Verfahrens vor einem staatlichen Gericht.

2.1 Die gängigen Schiedsgerichtsklauseln enthalten keine umfassende Regelung des anzuwendenden Prozessrechts. Das Schiedsgericht hat dann die zwingenden Regeln des Prozessrechts des Landes anzuwenden, in dem das Schiedsverfahren durchgeführt wird. Handelt es sich um ein Schiedsverfahren vor der deutschen Institution für Schiedsgerichtsbarkeit oder dem ICC, so enthalten die jeweiligen Schiedsgerichtsordnungen einige rudimentäre Regelungen des Verfahrensganges. Schließlich kann die unter Beteiligung des Schiedsrichters abgeschlossene Schiedsvereinbarung (terms of reference) einige prozessuale Regelungen enthalten.

Im Übrigen entscheidet der Schiedsrichter aber nach eigenem Ermessen über prozessuale Fragen. Für die Parteien bedeutet dies eine ganz erhebliche Unsicherheit bezüglich wichtiger prozessualer Fragen. So kann beispielsweise die Frage ungeregelt sein, was eine Partei tun muss, um substantiiert vorzutragen beziehungsweise zu bestreiten.

2.2 Zudem sind manche Schiedsrichter bemüht, keiner der Parteien „auf die Füße zu treten“. Wirft eine der Parteien dem Schiedsrichter eine Verletzung des Rechts auf rechtliches Gehör vor, so kann dies den Ruf des Schiedsrichters beschädigen, wodurch ihm die Nominierung in zukünftigen Schiedsverfahren entgehen könnte. Daher besteht eine gewisse Neigung, strittige Fragen – soweit noch vertretbar – nach dem Gesichtspunkt der Fairness zu entscheiden, selbst wenn das anzuwendende Recht eher für eine andere Entscheidung gesprochen hätte. Der Verfahrensausgang wird somit unberechenbarer.

2.3 Der weitere Nachteil eines Schiedsverfahrens ist dessen mitunter lange Dauer und die damit verbundenen Kosten: Aufgrund der mangelnden verfahrensrechtlichen Regelungen kann sich das Verfahren sehr in die Länge ziehen. Zudem kann der Schiedsspruch vor einem staatlichen Gericht am Schiedsort angegriffen werden. Schließlich muss auch der Schiedsspruch für vollstreckbar erklärt werden. Wie vorstehend dargelegt wurde, ist dies zwar in der Regel grundsätzlich möglich. Tatsächlich kann aber auch hier wieder vortrefflich gestritten werden. Ein Schiedsverfahren kann somit einen im Vergleich zu einem staatlichen Verfahren (je nach Verfahrensland) schwerer kalkulierbares Kosten- und Zeitrisiko bedeuten.

TIPP: Entscheidet man sich für ein Schiedsverfahren, sollte man zugleich eine möglichst umfassende Regelung zu den anzuwendenden prozessualen Vorschriften treffen.

3. Fazit
Ob eine Schiedsvereinbarung sinnvoll ist, hängt vor allem davon ab, wo sich der Sitz der Parteien befindet. In bestimmten Konstellationen kann ein Schiedsverfahren eine Erleichterung darstellen. In den meisten Fällen stellen die staatlichen Gerichte aber die günstigere Alternative dar.